Adventsfenster: 03. Dezember 2014

03 Beitrag VogelzugWeihnachtsabend 1852

Die fremde Stadt durchschritt ich sorgenvoll,
Der Kinder denkend, die ich ließ zu Haus.
Weihnachten war’s ; durch alle Gassen scholl
Der Kinderjubel und des Marktes Gebraus.

Und wie der Menschentrom mich fortgespült,
Drang mir ein heiser Stimmlein in das Ohr:
„Kauf, lieber Herr!“ Ein magres Händchen hielt
Feilbietend mir ein ärmlich Spielzeug vor.

Ich schrak empor, und beim Laternenschein
Sah ich ein bleiches Kindergesicht;
Wes Alters und Geschlechts es mochte sein,
Erkannt ich im vorübertreiben nicht.

Nur von dem Treppenstein, darauf es saß,
Noch immer hört ich , mühsam, wie es schien:
„Kauft, lieber Herr!“ den Ruf ohn Unterlass;
Doch hat wohl keiner ihm Gehör verliehn.

Und ich? – War’s Ungeschick, war es die Scham,
Am Weg zu handeln mit dem Bettelkind?
Eh meine Hand zu meiner Börse kam,
Verscholl das Stimmlein hinter mir im Wind.

Doch als ich endlich war mit mir allein,
Erfasste mich die Angst im Herzen so,
Als säß mein eigen Kind auf jenem Stein
Und schrie‘ nach Brot, indessen ich entfloh.

Theodor Storm

geb.: 14. September 1817, Husum
gest.:
4. Juli 1888, Hanerau-Hademarschen

 

ANREGUNG ZUM STÖBERN:

Weil in der Adventszeit das Vorlesen, selber Lesen, das Basteln, ect. eine ganz besondere Art des Zusammenseins ist – wollen wir auf eine von vielen Anregungen hinweisen. Diese Anregung kommt aus der Büchereizentrale Schleswig-Holstein:

http://bz-sh.de/index.php/dienstleistungen/dienstleistungen-fuer-kindergaerten-und-schulen/dezembergeschichten